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Mal kurz, mal lang, aber immer interessant

Hier kommen immer neue Texte dazu, mal aus dem Bereich der Theologie, mal aus dem der Geschichte, vielleicht auch mal etwas anderes. Schauen Sie rein, es lohnt sich.

3. November 2016

 Der 113. Todestag von Fritz Hönig

Fritz Hönig wurde 1833 in Köln geboren, sein Vater, der Kupferschmied August Hönig, hatte im Jahr zuvor eine Gießerei in der Breite Straße eröffnet und spezialisierte sich auf die Herstellung von Feuerwehrausrüstung. Fritz und sein Bruder Franz wuchsen in den Betrieb hinein, den sie, nach einigen Lehrjahren in Belgien und Frankreich, vom Vater übernahmen. Ab 1869 war die Firma Hönig einer der weltweit führenden Produzenten von Feuerwehrausrüstung. Sie lieferte Drehleitern, Saug- und Druckspritzen und Armaturen. 1888 präsentierte Fritz Hönig eine neuartige Dampfspritze, die den Vorteil hatte, dass sie von nur vier Mann bedient werden konnte und eine deutlich größere Förderleistung als Handpumpen besaß. Allerdings konnte sich die Dampfspritze aufgrund ihres hohen Preises kaum durchsetzen, die erhaltenen Geschäftsbüchern zeigen, dass die August Hönig Köln am Rhein Gießerei und Fabrik für Lösch- und Rettungs-Geräte, auch nach 1888 ihr Hauptgeschäft mit Handpumpen machte. Bereits 1852 war Fritz Hönig in die Freiwillige Feuerwehr eingetreten, 1888 ernannte sie ihn zu ihrem Ehrenchef. 1884 veröffentlichte Fritz Hönig unter dem Titel „Löschen und Retten“ ein reich bebildertes Feuerwehr-Handbuch, das nicht zuletzt dazu dienen sollte, für die Produkte seiner Firma zu werben.

Doch neben der Feuerwehr hatte Fritz Hönig noch eine weitere Leidenschaft: Den Kölner Karneval und die Mundart seiner Heimatstadt. Über die Jahre veröffentliche Fritz Hönig eine Vielzahl von humoristischen Gedichten, von denen einige später von dem bekannten Kölner  Musikpädagogen und Komponisten Albert Schneider musikalisch untermalt wurden. 1877 verfasste Fritz Hönig das erste Wörterbuch der Kölner Mundart. 1895 gab er die erste große Sammlung von Sprichwörter und Redensarten in kölnischer Mundart heraus.

Fritz Hönig starb am 3. November 1903 in Köln.

Aus: Alexander Hengstler, Zeugen der Zeit, Eine Geschichte Kölns in Biographien.

9. Oktober 2016

Begegnung in Kapstadt

Eine Kurzgeschichte aus dem Leben der Julie von Hausmann

 11. September 2016

Die Funktionsweise des Minié-Geschosses

 

21. Juli 2016

Ihr seid nun eins. Gen 2,4-24 nacherzählt und gedeutet 


Um das Jahr 1000 v. Chr. kam ein Priester in ein Dorf um an einer Hochzeitsfeier teilzunehmen. Dem Brautpaar erzählte er folgende Geschichte: 

Am Anfang gab es auf der Welt noch gar nichts, keine Pflanzen, keine Tiere, auch keine Menschen, denn es hatte noch nicht geregnet. Da ließ Gott Feuchtigkeit in den Erdboden steigen und formte aus Lehm Adam, den ersten Menschen. Gott blies dem Menschen Lebensatem ein und setzte ihn in einen herrlichen grünen Garten, damit der Mensch ihn behüte und pflege. An Nahrung fehlte es dem Adam nicht, dennoch sah Gott, dass der Mensch nicht glücklich war. „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist“ sagte Gott und er formte aus dem Ackerboden alle Tiere des Feldes, alle Vögel des Himmels und alle Fische des Meeres, hauchte ihnen Lebensatem ein und brachte sie zu dem Menschen. Dieser besah sie sich, fand aber keines, das war wie er. Da ließ Gott einen Tiefen Schlaf auf Adam fallen, nahm ihm eine Rippe aus dem Körper und formte daraus Eva. Als Adam erwachte, sah er Eva, freute sich und sagte: „Das ist endlich ein Wesen wie ich.“ 

„Deshalb“, so sagte der Priester „verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau“. Und er legte die Hand des Bräutigams in die Hand der Braut und ergänzte „ihr seid nun eins, denn erst als Mann und Frau ist der Mensch komplett.“   

Dieser Text, Schöpfungsmythos genannt, ist fast 600 Jahre älter als der Schöpfungshymnus. Thema ist nicht, wie im Schöpfungshymnus der ganze Kosmos, sondern die kleine häusliche Welt des Menschen. Es geht um das Verhältnis zu Umwelt, vor allem aber um Mann und Frau, um die Bedeutung der Partnerschaft. Adam, der erste Mensch, lebt im Paradies, einem grünen Garten, in dem er genug zu Essen und genug zu Trinken hat, indem er nicht der Gefahr, von wilden Tieren zerrissen zu werden, ausgesetzt ist und keine Angst vor Überfällen durch Nachbarstämme haben muss. Trotzdem ist der Mensch nicht glücklich. Denn, so die Lehre dieses Textes, das Paradies ist nichts wert, wenn der Mensch vereinsamt. Nie ging es den Menschen in Deutschland materiell besser als heute, nie gab es eine bessere Gesundheitsversorgung und höhere Renten. Trotzdem erleben wir, dass die Menschen heute kaum glücklicher sind als früher. Die Vereinsamung, nicht nur in den großen Städten, ist ein größeres Problem denn je. Und damit verliert alles Materielle seinen Wert, denn erst durch den Mitmensch wird der Mensch komplett. Kein Hund, und sei er noch so treu, keine Katze, und sei sie noch so verschmust, kein Papagei, und sei er noch so gesprächig, kann den Mensch das gaben was er braucht, dies kann nur ein anderer Mensch. Es geht im Schöpfungsmythos nicht um Unterordnung der Frau unter den Mann, sondern der Text ist ein Loblied auf die Ehe und bis heute einer der beliebtesten Texte für Hochzeitsfeiern. 

8. Juli 2016

Der 126. Geburtstag von Walter Hasenclever

Am 8. Juli 1890 wurde Walter Hasenclever als Sohn des Mediziners Carl Georg Hasenclever geboren. Sein Abitur legte er am Aachener Einhardgymnasium ab. In seinem Drama Der Sohn beklagte er diese Zeit mit den Worten „Du hast, unter dem Deckmantel der Erziehung, ein Verbrechen an mir begangen.“ Nach dem Abitur studierte Walter Hasenclever auf Wunsch des Vaters Jura in Oxford, Lau­sanne und Leipzig, doch bald schon zeigte sich, dass Walter Hasenclever mehr Interesse an Philosophie und Literatur als an Rechts­vorschriften und Paragraphen hatte.

In Leipzig verfasste er seinen ersten Gedicht­band und veröffentlichte 1914 das expres­sionistische Drama Der Sohn, in dem er die Erfahrungen seiner Kindheit und Jugend ver­arbeitete und sich gegen die Generation seines Vaters auflehnte. Im selben Jahr brach der Erste Weltkrieg aus. Walter Hasenclever mel­dete sich freiwillig und wurde ein Jahr später eingezogen. Schnell wuchs in ihm eine Abnei­gung gegen den Krieg und das Soldatenleben. Unter Vortäuschung eines psychischen Lei­dens wurde Walter Hasenclever 1917 aus der Armee entlassen. Für seine Antikriegstragödie Antigone erhielt er im selben Jahr den Kleist-Preis. Nach Kriegs­ende lebte Walter Hasenclever in Berlin, Dres­den und Oberbärenburg bevor er 1924 nach Frankreich zog. Bis 1928 arbeitete er als Kor­respondent des Berliner 8 Uhr-Abendblattes in Paris. Neben dieser Tätigkeit verfasste er eine Vielzahl von Komödien, die auf den Bühnen großen Erfolg hatten. 1929 kehrte Walter Hasenclever nach Berlin zurück.

Als die Nationalsozialisten an die Macht ka­men, entzogen sie Walter Hasenclever die deutsche Staatsbürgerschaft und ließen seine Bücher verbrennen. Die meiste Zeit seines Exils verbrachte Walter Hasenclever in Nizza, dort lernte er 1934 seine spätere Lebens­gefährtin Edith Schäfer kennen. Nach Aus­bruch des Zweiten Weltkrieges wurde Walter Hasenclever als „feindlicher Ausländer“ zeit­weise interniert. Als sich deutsche Truppen 1940 dem Internierungslager Les Milles in Südfrankreich näherten, tötete sich Walter Hasenclever, um nicht in die Hände der Gestapo zu fallen, selber.


Aus: Alexander Hengstler, Sie wandelten auf Aachens Straßen: Ein biographischer Stadtführer.


4. Juli 2016

Independence Day

Am 4. Juli 1776 verabschiedete der Kontinentalkongress die Unabhängigkeitserklärung und schenkte damit der Welt ein einzigartiges Dokument. Hier in einer zeitgenössischen deutschen Übersetzung der Präambel.  

„Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, daß alle Menschen gleich erschaffen worden, daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freyheit und das Bestreben nach Glückseligkeit. Daß zur Versicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingeführt worden sind, welche ihre gerechte Gewalt von der Einwilligung der Regierten herleiten; daß sobald eine Regierungsform diesen Endzwecken verderblich wird, es das Recht des Volks ist, sie zu verändern oder abzuschaffen, und eine neue Regierung einzusetzen, die auf solche Grundsätze gegründet, und deren Macht und Gewalt solchergestalt gebildet wird, als ihnen zur Erhaltung ihrer Sicherheit und Glückseligkeit am schicklichsten zu seyn dünket. Zwar gebietet Klugheit, daß von langer Zeit her eingeführte Regierungen nicht um leichter und vergänglicher Ursachen willen verändert werden sollen; und demnach hat die Erfahrung von jeher gezeigt, daß Menschen, so lang das Uebel noch zu ertragen ist, lieber leiden und dulden wollen, als sich durch Umstossung solcher Regierungsformen, zu denen sie gewöhnt sind, selbst Recht und Hülfe verschaffen. Wenn aber eine lange Reihe von Mißhandlungen und gewaltsamen Eingriffen, auf einen und eben den Gegenstand unabläßig gerichtet, einen Anschlag an den Tag legt sie unter unumschränkte Herrschaft zu bringen, so ist es ihr Recht, ja ihre Pflicht, solche Regierung abzuwerfen, und sich für ihre künftige Sicherheit neue Gewähren zu verschaffen.“

Die Erklärung zeigte bei ihrer Verabschiedung, in einer Zeit als in Europa der Absolutismus herrschte, eine Utopie auf, die auch von den neugegründeten Vereinigten Staaten nicht erfüllt wurde. Denn in den USA galten diese Rechte keineswegs für alle Menschen. Indianer, Farbige, aber auch Frauen waren von allen bzw. einigen Rechten ausgeschlossen. Ein Umstand, der den Mitgliedern des Komitees, die den Text 1776 verfassten, durchaus bewusst war. Und es wäre für sie ein Einfaches gewesen, anstelle von „Menschen“ von „Bürgern“ zu sprechen, doch sie entschieden sich für „Menschen“ und gaben damit ein Versprechen, dass in den USA erst im 20. Jahrhundert mit der Einführung der Frauenwahlrechtes, der Aufhebung der Rassentrennung und Gleichberechtigung der Indianer erfüllt wurde und auf dessen Erfüllung ein Großteil der Menschen weltweit noch heute wartet.   

Eben so wichtig wie dieses Versprechen, ist der Beweis, den die USA seit ihrer Gründung führen: „Ein demokratischer Staat funktioniert.“ Damals und heute gibt es genug Stimmen von Rechts und Links, die behaupten, dass die freiheitlich demokratische Ordnung nicht funktioniere. Die USA haben das Gegenteil bewiesen und beweisen es noch heute.

1861 stand die USA vor ihrer verorst schwersten Prüfung. Der Süden verließ die Union und gab dabei gleichzeitig auch die Demokratie auf. An der Spitze de Konföderierten stand mit Jefferson Davis ein Präsident, den die Bürger im Süden nie gewählt hatten und der sich während des fünfjährigen Bestehens der Konföderierten Staaten von Amerika auch nicht zur Wahl stellte. Die Union dagegen hielt an der Demokratie fest. Es erschienen regierungskritische Zeitungen und 1864 musste sich Präsident Abraham Lincoln einer freien demokratischen Wahl stellen, die er mit knapper Mehrheit gewann. Seit diesem Beweis, dass die Demokratie auch in einem Bürgerkrieg überleben kann und dass es dem Volk zuzutrauen ist, auch im Krieg über sein Schicksal selbst zu entscheiden, geriet die US-amerikanische Demokratie nie wieder ins Wanken.

30. Juni 2016

Ein Sonderfall vor Canossa 

27. Juni 2016

Bitte erkläre uns die Welt. Gen 1,1- 2,3 nacherzählt und gedeutet

Im Jahr 539 v. Chr. lebten die Juden in Babylon. 47 Jahr zuvor war ihre Heimat von den Babyloniern erobert  und verwüstet worden. Anschließend hatte der König Nebukadnezar sie gezwungen nach Babylon zu gehen. Dort, fern von ihrer Heimat, lebten sie nun. Eines Tages fragten zwei Brüder und ihre kleine Schwester den Rabbi, so nennen die Juden ihre Lehrer: „Unsere Nachbarn sagen Sonne, Mond und die Sterne seien Götter. Stimmt das?“ „Nein“, antwortete ihnen der Rabbi, „es gibt nur einen Gott“. „Unsere Nachbarn haben auch gesagt, dass wir das Licht allein dem Sonnengott Šamaš verdanken und sie sagen, dass der König und die Priester besondere Menschen sind und dass Sklaven nichts wert sind.“ „Außerdem“, ergänzte die Schwester, „haben sie behauptet Mädchen sind weniger wert als Jungen“.

Da antwortete der Rabbi: „Ich möchte euch eine Geschichte erzählen: 


Ganz am Anfang erschuf Gott den Himmel und die Erde.

Die Erde wüst, leer und finster. Aber Gottes Geist erfüllte sie schon.

Dann sprach Gott: „Es werde Licht, und es wurde Licht.“

Es wurde Abend und es wurde Morgen.

Das war der erste Tag.

Als nächstes errichtete Gott ein Gewölbe über der Welt und trennte so das Wasser, das ihr hier auf der Erde findet, von dem Wasser, das oben im Himmel ist und als Regen zu uns herfällt.

Das Gewölbe nannte er Himmel. 

Es wurde Abend und es wurde Morgen.

Das war der zweite Tag.

Dann befahl Gott dem Wasser unter dem Gewölbe sich an einem Ort zu sammeln, so dass trockener Boden sichtbar wurde. Diesen Boden nannte Gott Land, das Wasser nannte er Meer. Auf dem trockenen Land ließ Gott alle Arten von Pflanzen wachsen. Vom kleinsten Grashalm bis zum größten Baum.

Gott sah, dass die Welt so gut war.

Es wurde Abend und es wurde Morgen.

Das war der dritte Tag.

Dann erschuf Gott Lichter am Himmel, sie sollten helfen Tag und Nacht zu trennen und sie sollten helfen Aussaat- und Erntezeit zu berechnen. Das eine Licht nannte Gott Sonne, das andere Mond, die vielen kleinen Lichter nannte er Sterne.

Gott sah, dass die Welt so gut war.

Es wurde Abend und es wurde Morgen.

Das war der vierte Tag.

Am nächsten Tag schuf Gott alle Tiere des Meeres und alle Vögel des Himmels.

Gott sah, dass die Welt so gut war.

Es wurde Abend und es wurde Morgen.

Das war der fünfte Tag.

Dann erschuf Gott alle Tiere, die auf dem Land leben. Die kleinen Käfer und die großen Elefanten, die wilden Löwen und die sanften Lämmer.

Als letztes erschuf Gott den Menschen, als sein Abbild, ihm ähnlich. Er erschuf ihn als Mann und Frau und gebot ihm über die Erde zu herrschen.

Gott sah alles was er geschaffen hatte und es war sehr gut.

Es wurde Abend und es wurde Morgen.

Das war der sechste Tag.

Am siebten Tag vollendete Gott sein Werk und er ruhte, nachdem er alles geschaffen hatte.“

„Dann ist die Sonne also gar kein Gott.“ „Nein“, antwortete der Rabbi, „sie ist nur ein Lampion den Gott für uns am Himmel aufgehängt hat“. „Und der König ist gar nichts besonderes.“ „Nein. Jeder Mann und jede Frau, jedes Kind und jeder Alte, jeder Sklave und jeder Freie ist ein Abbild Gottes.“ 

Auslegung:

Jahrhundertelang wurde uns erzählt, die Erde sei etwa 3700 Jahre vor Christi Geburt an sieben Tagen erschaffen worden. Und jetzt, wo die Wissenschaft herausgefunden hat, dass das nicht stimmt, kommt die Kirche und behauptet, dass alles sei anders zu verstehen. Zunächst zwei Richtigstellungen, zum einen gibt es heute noch Menschen, die glauben die Erde sei erst 5700 Jahre alt, zum anderen gab es sowohl in der christlichen als auch in der jüdischen Schriftauslegung schon lange vorher Einwände gegen ein wörtliches Verständnis der Bibel.  

Doch zurück zum Schöpfungshymnus, wie die moderne Wissenschaft den ersten Text des Buches Genesis nennt. Als Hymnus wird der Text bezeichnet, da es sich im Hebräischen um ein Gedicht bzw. Lied handelt. Eine Melodie ist nicht überliefert, aber wenn man, einen Vortrag des Textes in Hebräisch anhört, was hier möglich ist, so fallen einem, selbst wenn man die Sprache nicht beherrscht, Parallelismen und ein melodischer Klang des Vortrags auf. Die  Rahmenerzählung ist frei erfunden, verdeutlicht aber in welchem Umfeld der Text entstanden ist.

Das jüdische Volk existierte nicht mehr. Der Tempel war zerstört, die Juden lebten als kleine, meist akzeptierte Minderheit in Babylon. Ihre Synagogen standen im Schatten der mächtigen Tempel der Sonnen- und Mondgötter der Babylonier. Die Herrschaft führte ein König, der sich als Gott verehren ließ, die niederen Arbeiten wurden von Sklaven ohne jegliche Rechte ausgeführt. Dies war das Umfeld, in dem der Schöpfungshymnus als Spottlied auf die Götter, als Protestlied gegen die sozialen Ungerechtigkeiten und als Loblied auf den einen Gotte entstand.

Eine Aussage Gottes in diesem Text wird heute oft angegriffen. Der Mensch soll über die Schöpfung herrschen. Erlaubt Gott den Menschen also die Erde zu zerstören? Sind die Autoren der Bibel letztlich schuld an der Zerstörung unserer Umwelt? Auf diesen Vorwurf sollte man zunächst erwidern, dass der Text 2500 Jahre alt ist, die Menschen, für die er verfasst wurde, kämpften hart, um der Natur das Lebensnotwendige abzuringen. Eingriffe in das Ökosystem, wie sie uns heute möglich sind, lagen jenseits ihrer Vorstellungskraft. Zum anderen bedeutet Herrschaft in der Bibel immer auch Orientierung am göttlichen Handeln. Der Mensch soll sich in seiner Herrschaft also nach den Taten Gottes richten. Der Mensch soll die Erde nutzen und lebenswert machen, aber auch dafür sorgen, dass sie lebenswert bleibt. Die Aufforderung über die Welt zu herrschen ist im Gegenteil eine der bedeutendsten Aussagen des Schöpfungshymnus. Denn sie erlaubt dem Menschen die Erde zu nutzen. Wissenschaftler sprechen hier von einer Entzauberung der Welt. Noch in der Römerzeit war es üblich, dass vor dem Bau einer Brücke der Flussgott befragt und gnädig gestimmt werden musste. Knapp 2000 Jahre später erzählt Theodor Storm in seiner Novelle Der Schimmelreiter vom Aberglauben, dass ein Deich nur hält, wenn etwas „Lebiges hinein“ kommt, wenn also ein Opfer, im Schimmelreiter sollte es ein kleiner Hund sein, dargebracht wird. Im Schöpfungshymnus wird dieser ganze Aberglaube abgelehnt. Der Mensch darf die Erde nutzen und muss sich dabei nicht um irgendwelche göttlichen Wesen oder Naturgeister kümmern. Er ist nach Gottes Abbild erschaffen und darf deshalb über die Erde herrschen.

Doch was genau bedeuten Abbild Gottes? Ist Gott so wie wir? Vergisst er, wo er seine Brille hingelegt hat und muss sich täglich waschen, damit er nicht anfängt zu müffeln? Das ist natürlich nicht damit gemeint. Sondern zum einen, dass alle Menschen gleich sind. König und Sklave, Erwachsene und Kinder, aber auch, das wird leider oft übersehen, Mann und Frau. Auf der ersten Seite der Bibel steht klipp und klar: Es gibt keine Hierarchie zwischen den Geschlechtern! Die andere Aussage betrifft den Umgang der Menschen miteinander. Ich selbst und der andere ist Abbild Gottes, ich muss ihm oder ihr so begegnen wie ich Gott begegnen würde. Dieses Gebot zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Heilige Schrift. Jesus bringt es im Matthäusevangelium auf den Punkt: Was ihr dem Geringsten meiner Brüder (und Schwestern) getan habt, das habt ihr mir getan (Mt 25,40).